Der Besuch meiner Familie war kurz und lag mitten in den kalten Tagen,
die Lappland von der geheimnisvollen, romantischen Seite zeigen. Ich denke,
meine Eltern waren vom Ort und der Arbeit hier beeindruckt. Wie mein
Tagesablauf jedoch von A-Z aussieht, konnte/wollte ich ihnen nicht zeigen. Zu
komplex sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Arbeiten der
verschiedenen Guides und zu kurz und wertvoll die Zeit mit meinen Eltern.
Zurzeit trainieren wir aber eine neue Guide ein. Die erste Woche ist
immer etwas schwierig zu überstehen, denn die Hundenamen von 122 Huskys müssen
gelernt werden, die verschiedenen Bezeichnungen um die Farm, im Haus und für
die Ausrüstung. Dann natürlich die täglichen Aufgaben, welche so schnell und
effektiv wie möglich erledigt werden müssen. Usw., usw., wer’s nicht gesehen
hat, wird’s nicht verstehen. Und nach Gesprächen mit meinen Guide’s Kollegen,
welche ebenfalls schon einmal Besuch von Verwandten gehabt haben, sind wir uns
einig, dass auch wenn sie alles gesehen haben, nur die Spitze vom Eisberg
kennen.
Jedenfalls fällt vor allem mir auf wie ich mich hier anders benehme als
wenn ich zu Hause bin. Das Zusammenleben mit Leuten, die du dir nicht
ausgesucht hast, spielt eine grosse Rolle. Dazu die harschen Konditionen, in
welchen wir Arbeiten – das Verändert alles von der persönlichen Schmerzgrenze,
über das Aussehen bis hin zur Umgangssprache mit Leuten. Ich könnte Bücher
schreiben über Themen wie – was machen, wenn man seine persönliche Grenze
erreicht hat (respektive etwas darüber heraus geschossen ist) – Geduld – Selbstbeherrschung – Flexibel zu sein –
Prioritäten setzen etc.
Wenn jemand mich vorstellt, werde ich meist als „bossy“ bezeichnet. Das
heisst soviel wie, dass ich Leute gerne herum kommandiere und recht streng bin.
In Wirklichkeit bin ich jedoch am strengsten zu mir selber. Wenn ich jemandem
eine Arbeit abnehmen kann, versuche ich dies zu tun. Auf längere Zeit ist das
für eine Person jedoch nicht so gesund. Das habe ich nun über mich gelernt:
sich Zeit nehmen, um sich selber kennen zu lernen.
Morgen geht eine der Guides, welche schon länger hier ist. Ich darf zu
ihrem „Leaving dinner“ an welchem wir ihr ein Feedback geben dürfen. Dafür habe
ich mir heute einige Gedanken gemacht und festgestellt, dass ich die Leute hier
zum Teil viel besser kenne als Personen, welche mich schon mein Leben lang
begleiten. Mit denen verbinden mich aber viele tolle Erlebnisse, wo man sich
nach und nach auch etwas kennen lernt. Es ist eine andere Seite, die man an den
Menschen hier kennenlernt.
Heute war dafür der absolut schönste Tag bisher. Hatte gar nichts mit
der Wärme zu tun (es war nämlich um die minus 40°C) sondern mit dem Stand der
Zufriedenheit, als wir die Farm am Abend verliessen: Alle Hunde ok, Safari ging
gut, Arbeiten erledigt UND: NACH GUT 1.5 MONAT DIE SONNE WIEDER GESEHEN!!!!!
Ich war nämlich auf der Farm, als mir die hellen Baumkronen auffielen. Die
Vorfreude stieg und ich suchte nach einer Leiter oder einem bekletterbaren Baum.
Nichts da, ich musste warten… Eine kurze Zeit später begleitete ich eine Tour
mir 2 Schlitten mit dem Schneemobil. 200m nach der Startlinie erstreckt sich
eine Fläche und ich raste darauf los. Im nächsten Moment blendete mich die
goldene Kugel ins Gesicht, meine Augen waren jedoch weit geöffnet. SOAK IT UP!
So einen Moment der Vorfreude habe ich selten gehabt. Die Sonne schleicht so
tief am Horizont entlang, dass es einem nicht wirklich wärmt. Das Licht ist
jedoch wirklich goldig! Wie kostbar das Tageslicht ist, habe ich im letzten
Monat gemerkt.
Ich blinzelte und schon froren mir wieder die Augenlieder zu, und ich
konnte wieder nichts sehen – passiert in dieser Kälte halt wirklich bei fast
jedem Blinzeln. Meine Nase und Wangen taten wirklich weh, ich glaube, mein
Gesicht ist kurz davor, mit Frostbeulen übersäht zu werden.
Nichts jedoch konnte mich in diesem Moment ablenken. Sonnenlicht. Wie
kostbar. Mir fielen die vielen Farben der Natur auf. Das leicht Rosa, Hellblau
und Dunkelblau, mit welchem sich der Himmel einfärbte erinnert mich daran, dass
die Farben aus der Natur kommen und daher in der Natur am schönsten zu
betrachten sind. Sie passen sich der Umgebung an. Einziger Störfaktor sind
einmal mehr die Menschen, in ihren farbigen Anzügen. Meiner Meinung nach dürfen
sich alle Menschen gerne nur Schwarz anziehen, dann fallen sie als Störfaktor
weniger in der wunderschönen Natur auf.
Die Gäste auf den Schlitten stuften mich wahrscheinlich als etwas
geistesgestört ein, als ich mitten auf dem Feld einen Schrei vor Freude
ausstiess..
Farben sind mir rückblickend schon immer aufgefallen. Das saftig grüne
Neuseeland, der goldige Sonnenuntergang an der Westküste des Kap der guten
Hoffnung in Südafrika, die Gebetsfahnen in Nepal, der Pastellfarbene Himmel in Lappland
bis hin zu den wunderschön Orange-Rot-Gelb verfärbten Bäumen kurz vor der
Autobahnausfahrt von Thun nach Spiez zu Hause. Alles kein Kitsch, sondern
Erinnerungen.
Meine Nase war heute Abend immer noch gereizt, also vergrub ich sie in
meiner Jacke. Als ich jedoch kurz den Blick hob, bemerkte ich, was für eine
klare Nacht es geworden war. Der Mond hing
voll und gross über den Bäumen, umkreist von einem Haufen Sternen. Die
Sternbilder waren gut zu erkennen. Die wunderbar klare Nacht ist auch bei minus
40°C noch wert, kurz anzuhalten und zu geniessen. Was für ein Tag.
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